Wem gehört das Wissen
Neulich las ich in einem Wirtschaftsblog einen Kommentar, in dem einer sich entrüstete, als Unternehmer müsse man doch frei über das Wissen der Mitarbeiter verfügen können, denn schliesslich sei der Unternehmer doch derjenige, welcher in den Wissensaufbau seiner Firma investiere und das ganze Risiko der Wissensverwertung trage. Da verliessen dann gut ausgebildete und wertvolle Mitarbeiter das Unternehmen und nähmen das ganze Wissen mit. Das sei eine schreiende Ungerechtigkeit.
Gute Gelegenheit, den jammernden Kollegen über seine Missverständnisse aufzuklären:
Wissen wird heute oft in langen und kostspieligen Studien und Ausbildungen erworben. Oft wurden diese Ausbildungen öffentlich finanziert und durch Stipendien unterstützt, aber das wesentliche Investment ist und bleibt die Zeit und der Aufwand, die jeder Mensch in den Ausbau seines Wissens und seiner Bildung steckt. Als Träger des Wissens trägt er auch das ganz persönliche Risiko, daß sein Wissen obsolet und nutzlos wird.
Da mag es vielleicht wie eine moralische selbst erwählte Pflicht der Wissensträger erscheinen, etwas von dem Wissen an die Gesellschaft zurückzugeben, aber im rechtlichen Sinne bindend kann dies nicht sein – schon gar nicht einer speziellen Organisation oder einem privaten Arbeitgeber gegenüber, auch wenn diese vielleicht einen Teil der Ausbildung ermöglicht haben mögen.
Vielmehr ist es in westlichen Gesellschaften guter Brauch, zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer rechtlich bindende Dienstverträge zu schliessen, die Arbeitgebern gegen Zahlung eines Entgelts das Recht einräumen, die Arbeitskraft Ihrer Vertragspartner in einem definierten Zeitrahmen zu nutzen, und anschliessend die Arbeitsergebnisse zu verwerten. Mehr jedoch nicht.
Die Investition in das erforderliche Wissen der Mitarbeiter gleicht der in die erforderlichen Arbeitsmittel, deren Instandhaltung Sache des Unternehmers ist, ebenso wie das Risiko, das entsteht, wenn ein Arbeitsmittel verschleißt oder verlorengeht, weil er seinen Aufgaben nicht nachgekommen ist.
Alles Wissen in unserem Kulturkreis ist und bleibt individuell. Es ist ein unveräußerliches Persönlichkeitsrecht. Alles andere wäre ein sittenwidrig und ein Kulturbruch: Es liefe nämlich auf eine Form von Leibeigenschaft hinaus.
Es ist doch so: Wer lukrative Geschäfte mit veralteten, bereits voll abgeschriebenen Maschinen betreibt, der darf sich nicht über Verluste beklagen, wenn mal die Produktion stillsteht. Ähnlich ist es mit dem Wissen der Mitarbeiter: Wer nicht permanent in deren Aus- und Weiterbildung investiert, der darf sich nicht beklagen, wenn die Klügsten ihn früher oder später verlassen.
Schreibe einen Kommentar