Lean Knowledge Management

Was ist Wissensmanagement?

Die Aufgabe von Managern ist es, die Zusammenarbeit von Menschen zu organisieren. Es geht also beim Wissensmanagement letztlich darum, den Wissenstransfer zwischen Menschen, so zu organisieren, daß dieser Prozess den Beteiligten benötigtes Wissen zur Lösung anstehender Probleme oder Aufgaben reiblungslos zur Verfügung stellt.

Die offene Frage hierbei ist, inwiefern der Prozess des Wissenstransfers sich überhaupt steuern läßt. Das, was Menschen lernen und wissen, entzieht sich aus gutem Grund fremder Kontrolle. Es ist nicht möglich, direkte Kontrolle  über Lern- und Wissensprozesse auszuüben.

Was sich aber kontrollieren und beeinflussen läßt, sind die Bedingungen und Ergebnisse, unter denen  wissensintensive Prozesse sich vollziehen. Unter Wissensmanagement sind folglich alle Entscheidungen und Aktivitäten zu verstehen, die auf Transfer, Verteilung und bessere Verfügbarkeit von Handlungswissen im Unternehmen abzielen.

Warum führt erfolgreiches Wissensmanagement zu hohen Wettbewerbsvorteilen?

In den meisten Branchen unserer wissensintensiven Wirtschaft ist das im Unternehmen verfügbare Wissen längst ein wichtiger oder sogar der wichtigste Vermögenswert. Der Haupt-Grund dafür ist, daß in einer Zeit, in der fast alle Geschäftsprozesse global verteilt und/oder ausgelagert werden können, alleine dieses konkrete Wissen es ist, das es einem Unternehmen erlaubt, schneller, besser und effizienter als der Wettbewerb zu agieren.

Welchen konkreten Nutzen hat man von „Lean Knowledge Management“?

Das Management von Wissen als Führungsaufgabe gibt es natürlich nicht erst seit gestern. Es wird auch nicht auch nicht erst praktiziert, seitdem der Begriff „Wissensmanagement“ dafür in Mode kam. Traditionelle Prozesse, in denen Wissen organisiert wurde, legten aber den Schwerpunkt darauf, Abläufe und Strukturen detailliert vorab zu definieren, weil „Kommando und Kontrolle“ das vorherrschende Paradigma war. Es werden zum Beispiel immer noch detaillierte Dokumentenvorlagen, Formulare, Datenstrukturen und Arbeitsabläufe erdacht, um den Prozess direkt kontrollieren zu können. Diese Vorstellung ist jedoch illusionär. Schon früher waren individuelle Wissens-Transfer-Prozesse viel zu komplex für solch grobschlächtige Verfahren. Und heute ist es einfach nicht mehr möglich, den „Faktor Mensch“, der in wissensintensiven Bereichen eine immer größere Rolle spielt, auf diese Weise zu steuern.

Statt zu versuchen, wissensintensive Prozesse auf Ablaufebene zu steuern, verspricht es sehr viel mehr Erfolg, wenn man sich auf den Output der konkreten Prozesse konzentriert. Wenn man analysiert, mittels welcher Faktoren man das Endergebnis des erwünschten Transfer-Prozesses steuern und verbessern kann, erhält man entsprechende Erfolgsparameter. Die konkrete Ausgestaltung der Prozesse bleibt dann weitgehend den Ausführenden überlassen. In der Managementliteratur ist dieser Ansatz auch als „Lean Management“ bekannt. Man kann dessen Prinzipien auch auf wissensintensive Prozesse anwenden.

Wie funkioniert „Lean Knowledge Management“?

Um zu verstehen, wie „Lean Knowledge Management“ funktioniert, lohnt sich ein Blick auf den Software-Entwickungsprozess. Denn der Software-Entwicklungsprozeß ist geradezu prototypisch für wissensintensive Arbeitsprozesse. In diesem Bereich hat sich unter dem Namen „Lean Software Development oder auch „agile Entwicklung eine Entwicklungs-Philosophie etabliert, die man quasi als Blaupause für das Wissensmanagement generell verwenden kann. War in früheren Jahren in den meisten Unternehmen eine Denkweise dominant, in der man auf eine geradezu generalstabsmäßige und kontrollierte Planung der Unternehmens-Software Wert legte, herrschen heute ganz andere Denkweisen vor:

  • In früheren Zeiten wurde eine strikte Top-Down-Planung verlangt,
  • Es wurde Wert darauf gelegt, daß bei der Umsetzung sofort alles richtig implementiert wird,
  • Man wollte den gesamten Prozess unter industriemäßiger Kontrolle und Überwachung halten,
  • Und man achtete strikt darauf, Arbeitsschritte in der einmal festgelegten Reihenfolge durchzuführen.

Nach den Lean-Prinzipien wird die Software-Entwicklung heute nach vollkommen anderen Kriterien strukturiert. Statt einem mehr oder minder starren Prozess hat man eher einen mäanderhaften Ablauf mit vielen Wiederholungs- und Lernschleifen:

  • Statt einer starren Top-Down-Planung gibt es nun (durchaus erwünscht) viele Wiederholungen und Feedback.
  • Statt einer korrekten Umsetzung legt man eher Wert auf Lernen und kontinuierlicher Verbesserung.
  • Statt Kontrolle von oben her stehen eher fachliche Entscheidungen auf Expertenebene im Vordergrund.
  • Statt einer komplexen Logik, versucht man heute eher einfach umsetzbare Prinzipien zu etablieren.

Zusammenfassend wirkt der Prozess heute sehr viel organischer und menschengerechter als der, den man noch vor fünfzehn oder zwanzig Jahren propagierte.  Natürlich dürfte dies daran liegen, daß die technischen Ressourcen damals noch viel teurer und unflexibler waren als heute, und daß es leichter und billiger erschien, von Menschen eine Anpassung an die technischen Gegebenheiten zu verlangen als umgekehrt.

Bleibt die Frage nach der Kontrollierbarkeit des gesamten Prozesses. Bricht die Anarchie im Unternehmen aus, wenn das Management auf die strikte Top-Down Planung verzichtet? Im Gegenteil! Denn zum Einen beruhte die Vorstellung von Kontrollierbarkeit wissensintensiver Prozesse immer schon auf Wunschdenken und Illusion – kluge Manager wussten das immer schon und handelten danach.

Zum Anderen läßt sich der Prozess sehr viel leichter vom Ergebnis her planen, indem man die Lean-Management-Prinzipien respektiert und auf wissensintensive Prozesse anwendet:

  • Achten Sie auf Vollständigkeit, Korrektheit und ausreichende Tiefe verfügbaren Wissens,
  • Sorgen Sie für schnellen Zugriff auf alles an Wissen, das für die Arbeit relevant sein könnte,
  • Sorgen sie für ausreichend Gelegenheiten zum freien Erfahrungs- und Wissensaustausch,
  • Geben Sie häufiges und hochwertiges Feedback auf individueller Ebene,
  • Gewähren Sie Gestaltungsspielräume und ausreichend Unterstützung für Individuen,
  • Respektieren Sie gewachsene Arbeitskulturen, Identitäten und Beziehungen,
  • Helfen Sie, daß Wissen und Informationen verbunden und geteilt werden können
  • Sorgen Sie für Stabilität im Sinne von Langfristigkeit und nachhaltiger Unterstützung

Ihnen wird vielleicht auffallen, daß diese Sammlung guter Praktiken eher an die Pflege und Gestaltung eines Gartens erinnert als an die Organisation einer Fließbandfertigung. So ist es auch: Als Manager kann man am im Bereich des Wissensmanagements am leichtesten führen, indem man so oft wie möglich auf direkte Kontrolle verzichtet. Der Erfolg wächst mit der Zeit von alleinem undso wird Wissensmanagement mit der Zeit zu einer leichten Sache.

zum Weiterlesen:

Dahlke, F. (2008) Eliminating Waste in Software Projects: Effective Knowledge Management By Using Web Based Collaboration Technology. The Enterprise 2.0 Concept Applied to Lean Software Development. Hamburg: Diplomica Verlag GmbH

Ambler, S.W. (2006) The TAGRI (They Aren’t Gonna Read It) Principle of Software Development

Brown, J.S and Duguid, P. (2000) The Social Life of Information. Boston: Harvard Business School Press.

Davenport, T.H. (2005) Thinking for a Living: How to Get Better Performance and Results from Knowledge Workers. Boston: Harvard Business School Press.

Walsh, I. (1994) Lean Management: Must We Europeans Become Japanese? Interkulturelles Management. Abschied von der Provinzialität. p. 71-80 Wiesbaden: Gabler Verlag

 

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